GRIECHENLANDS WEG IN DIE
EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFT
Griechenlands Weg in die Europäische Gemeinschaft, 1958-1981
von Mathias Häußler und Rainer Liedtke
Der Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften (EG) stellte einen tiefgreifenden Einschnitt in der Geschichte Griechenlands dar. Aber auch die EG und ihre Mitgliedstaaten wurden durch die Erweiterung des Integrationsprojekts vor große Herausforderungen gestellt. Diese Online-Ausstellung rekonstruiert anhand einer Vielzahl unterschiedlicher archivalischen Quellen den nicht immer einfachen Weg des Landes in die EG.
Die Ambition Griechenlands, am europäischen Integrationsprozess teilzuhaben, begann nicht erst in den 1970er Jahren. Bereits wenige Jahre nach Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1958 wurden Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen aufgenommen, welches 1961 abgeschlossen wurde (siehe Dokument 1). Griechenland wollte von dem entstehenden Machtzentrum auf dem europäischen Kontinent nicht völlig ausgenommen sein. Zwar schloss die EWG in jener Zeit auch mit einer Vielzahl anderer südeuropäischer wie afrikanischer Staaten ähnliche Verträge, das Abkommen mit Griechenland enthielt jedoch eine Besonderheit: Es sah explizit den Weg zu einer späteren Vollmitgliedschaft vor.
Einstweilen legte der erfolgreiche Putschversuch der Militärjunta im April 1967 das Assoziationsabkommen jedoch auf Eis. Insbesondere das Europäische Parlament (siehe Dokument 2) drängte auf eine vollständige Aussetzung des Abkommens, da es die demokratischen Werte der Europäischen Gemeinschaft nicht länger durch Griechenland vertreten sah. Diesem politischen Druck beugte sich die Europäische Kommission wenige Monate später, wobei jedoch nur die Verhandlungen über zukünftige Beziehungen unterbrochen wurden – bereits bestehende gegenseitige Verpflichtungen im Bereich der Handels- und Zollpolitik wurden beibehalten.
Nach Ende der Militärdiktatur und den anschließenden demokratischen Wahlen im November 1974 reichte Griechenland unter dem konservativen Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis im Juni 1975 eine offizielle Bewerbung des Landes um vollständige EG-Mitgliedschaft ein. Für Karamanlis stellte die potenzielle Mitgliedschaft eine Möglichkeit dar, den demokratischen Kurs des Landes zu sichern und dessen politische Zukunft fest im Westen zu verankern. Darüber hinaus hoffte man freilich auch auf starke Impulse für Handel und Wirtschaft, welche sich geradezu zwangsläufig aus der Mitgliedschaft ergeben würden (siehe Dokument 3).
Die Europäische Gemeinschaft reagierte auf die griechische Bewerbung zutiefst gespalten. Einerseits hoffte man ebenso wie Karamanlis, durch die EG-Mitgliedschaft den demokratischen, proeuropäischen Kurs der griechischen Regierung zu konsolidieren. Andererseits schien es wahrscheinlich, dass ein griechischer Beitritt zu erheblichen Kosten für die bereits bestehenden Mitgliedstaaten führen würde, gerade auch vor dem Hintergrund dann notwendiger struktureller Wirtschaftshilfen (siehe Dokument 4). Vor allem aber fürchtete man, dass die Verhandlungen mit Griechenland zu speziellen Übergangsregelungen für griechische Agrarprodukte wie Wein oder Olivenöl führen würden, woraus Präzedenzfälle für die anstehenden Verhandlungen mit wirtschaftlich potenteren Beitrittskandidaten wie Portugal und Spanien entstehen könnten. Daher sah insbesondere die EG-Kommission die Perspektive eines schnellen griechischen Beitritts eher skeptisch (siehe Dokument 5). Frankreich teilte die Befürchtungen der Kommission, wobei Präsident Valéry Giscard d’Etaing hierbei sicherlich auch den politisch einflussreichen Agrarsektor des Landes vor dem Hintergrund der anstehenden Parlamentswahlen im Auge hatte.
Demgegenüber unterstützte Deutschland die griechische Bewerbung energisch, und kritisierte die negativen Einschätzungen der Kommission in wesentlichen Punkten (siehe Dokument 6). Hierfür waren vor allem politische Gründe ausschlaggebend. So war Deutschland als geteiltes Land im Ost-West-Konflikt wesentlich von der militärischen Stärke der transatlantischen Allianz sowie vom generellen Zusammenhalt des Westens abhängig, weshalb man bei einer Ablehnung des griechischen Beitrittsgesuchs negative Auswirkung auf die eh schon prekäre Stabilität der südlichen Flanke NATOs fürchtete. Ebenso war Deutschland in den 1970er Jahren ein entschieden proeuropäisches Land und hoffte daher, mit dem EG-Beitritt der „ältesten Demokratie der Welt“ auch ein starkes Symbol der europäischen Einigkeit in die Welt zu senden (siehe Dokument 7).
Diese Dynamiken spiegelten sich auch in den tatsächlichen Verhandlungen wider. Insbesondere der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt engagierte sich stark für den griechischen Beitritt, wobei er sich in den bilateralen Gesprächen mit Karamanlis dennoch nicht immer mit Kritik zurückhielt (siehe Dokumente 3, 4, 8 und 9). Auch der neue Kommissionspräsident Roy Jenkins spielte – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – eine weitgehend konstruktive Rolle in den Verhandlungen, indem er oftmals kreative Lösungen für komplexe technische Probleme lieferte. Entscheidend war darüber hinaus jedoch vor allem auch die Rolle Karamanlis, der sein eigenes politisches Schicksal an den Erfolg der griechischen Bewerbung knüpfte. All diese Faktoren führten letztendlich zur Unterzeichnung des griechischen Beitrittsvertrages im Mai 1979.
Zwar trat Griechenland am 1. Januar 1981 offiziell der EG bei, doch waren die Auswirkungen dieses Beitritts noch für viele Jahre spürbar (siehe Dokumente 10, 11). Dies galt insbesondere im Bereich der Innenpolitik, wo der Aufstieg des Sozialisten Papandreou nicht nur die NATO-Mitgliedschaft des Landes, sondern auch dessen Zugehörigkeit zur EG in Frage zu stellen schien. Doch auch Papandreou konnte sich den politischen und wirtschaftlichen Attraktionen der EG letztlich nicht entziehen. Er milderte im Laufe der Jahre seine antiwestlichen wie antieuropäischen Positionen wesentlich ab, und akzeptierte nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Oktober 1981 ausdrücklich die Mitgliedschaft Griechenlands in der EG. Ebenso setzte er sich energisch für den Beitritt weiterer südeuropäischer Staaten wie Spanien und Portugal ein. Anfang der 1980er Jahre war Griechenland in der EG angekommen.
Literaturverzeichnis
Karamouzi, Eirini: Greece's path to EEC membership, 1947-1979. The view from Brussels. London 2011.
Mpotsiu, Konstantina E.: Griechenlands Weg nach Europa. Von der Truman-Doktrin bis zur Assoziierung mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1947 – 1961. Frankfurt am Main 1999.
Poimenidou, Antigoni-Despoina: La culture comme facteur d’européisation. Le rôle de l’argument culturel dans la politique européenne de la Grèce (1944-1979). Bruxelles 2020.
Tsalicoglou, Iacovos S.: Negotiating for entry: the accession of Greece to the European Community. Aldershot 1995.
Μπότσιου, Κωνσταντίνα Ε.: «Η Ελλάδα και η Ομοσπονδιακή Δημοκρατία της Γερμανίας στο ευρωπαϊκό πλαίσιο», στο Ε. Χρυσός – W. Schultheiss (επιμ.), Ορόσημα ελληνο-γερμανικών σχέσεων, Αθήνα, 2010.